Simon Strauß: „Sieben Nächte“

Simon Strauss Sieben Nächte Blumenbar Aufbau

Ein Roman, der von einem jungen Mann handelt, der Angst hat. Angst plötzlich erwachsen zu werden, ohne etwas gemerkt zu haben. Der Erzähler, oder der Autor selbst, lebt in einer wohligen Gesellschaft und geht auf die 30 zu. Diese Zahl empfindet er als Schwelle, als Übergang zu wesentlichen Entschlüssen zur Berufswahl, Hochzeit, Urlaubsort und den üblichen Entscheidungen, die mit dem Reifeprozess einhergehen. Er empfindet sich als lustlos geworden und das macht ihm am meisten Angst. Nicht mehr zu wollen als das, was man hat. In der Schulzeit noch sympathiesüchtiger Streber, der sagt, was Lehrer und Professoren hören möchten. Doch mit jeder weiteren Prüfung, mit jeder bestätigten Meinung schleicht sich die Lustlosigkeit und Angst in sein Gemüt. Der Protagonist hat den Wunsch nach Wirklichkeit. Nicht nur nach Verwirklichung, sondern er möchte weg vom jugendlichen Zynismus, der meist aus Unsicherheit geboren wird.

Ihm fehlt es an Feuer, an Leidenschaft für etwas. Bücher sind Platzhalter in der leeren, modernen Architektur geworden. Das Gelesene und das Gedachte wurden ja bereits erdacht und zu Papier gebracht. Ein Gefühl der stagnierten Routine wird durch ein nachgekautes Wissen oder eine übliche Gleichgültigkeit bestärkt. Er stammt aus einer Generation, die heimlich ihre Namen in die Bücher ihrer Väter schreiben. Ein dezenter Hinweis auf die Familie des Autors, denn sein Vater ist Botho Strauß.

So lesen wir ein Büchlein über die Sehnsüchte eines Mannes, der durch eine Reifeprüfung geschickt wird. Denn er hat ein Angebot von einem Bekannten bekommen. Einer, der nur am Ende des Buches zu Wort kommt und Simon Strauss persönlich anschreibt. Sie schließen einen Pakt. Der Andere kennt das Gefühl des Ungenügens, das dem Helden innewohnt und jagt ihn durch sieben Nächte. Jener Bekannte wird sich einfach bei ihm melden. An sieben Abenden, immer um sieben Uhr würde sich der Freund melden und ihn auf Streifzüge durch die Stadt schicken. Er soll Sünde begehen. Jeweils einer der sieben Todsünden soll er sich stellen und bis zum Morgengrauen, spätestens sieben Uhr, das erlebte auf sieben Seiten festgehalten haben.

Die Reise beginnt mit einem Bungeesprung von einem Hochhaus, denn der Hochmut kommt vor dem Fall, oder danach? Seine Hochmütigkeit wird ihm bewusst, als er das Ende vor Augen hat. Dann kommt die Fleischeslust, die Gula, und er gibt sich ganz der Völlerei hin und später der Trägheit und der Faulheit. Auf der Pferderennbahn erlebt er die Habgier. Er empfindet nicht das Verlieren als Schlimmstes, sondern den Gewinn der anderen. So erlebt der Protagonist Nacht für Nacht eine andere Regung, die als Todsünde gilt. Er empfindet den Neid in der Bibliothek und die Wollust auf einem dekadenten Maskenball. Erst nach dem Jähzorn meldet sich der Bekannte zurück und die Streifzüge durch die Emotionen werden für den Helden eine Reifeprüfung, die ihn vor der belanglosen Reife schützt. Ein letztes Aufbäumen der jugendlichen Regungen bevor der erwachsene Alltag kommt?

Was wir hier lesen ist ein Text, der sich gegen das Mitlaufen, das emotionslose Leben aufbäumt. Er soll uns anregen und unsere Herzen öffnen, damit wir Mut gegen die Angst finden. Es ist ein Buch voller Leidenschaft, das sich nicht so einfach weglesen lässt, sondern den Leser erreichen will und wird.

Siehe auch Leseschatz-TV: Simon Strauss & Henning Schöttke

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4 Antworten zu “Simon Strauß: „Sieben Nächte“

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