Ein so schön trauriger Roman. Stermann versteht es, die Waage zwischen Humor, Leichtigkeit, zarter Melancholie und trauriger Einsamkeit aufrechtzuerhalten. Dirk Stermann ist ein deutsch-österreichischer Moderator (u.a. Die Fernsehsendung „Die Geschichte eines Abends“), Kabarettist und Autor. Er ist ein Autor, der das Absurde zelebriert und einen fröhlich melancholischen Roman über die Vielfältigkeit der Einsamkeit geschrieben hat. Der Verlag schreibt über das Buch: „Der traurigste Roman der Welt“. Das mag wohl stimmen, wird dem aber dennoch niemals gerecht. Denn ein feiner Humor weht beständig mit. Dennoch ist das Buch so traurig, dass man beim Lesen auf schönste Weise mitleidet. Aber es bleibt trotz des Absurden, des Surrealen niemals zu überspitzt dargestellt und es überfordert nicht mit empathischen Superlativen, wie es Hanya Yanagihara in diesem Jahr gemacht hat.
Das Buch will erlebt werden und lädt den Leser zu einer emotionalen Reise ein. Der Titel verspricht, dass der Held doch noch das Gute bekommen wird. Aber ist es wirklich das Gute für den Jungen? Wieviel Schmerz ist nötig und überhaupt möglich? Gleich den schmerzvollen Stichen von exotischen Ameisen, deren Gift stundenlange Pein verursacht, bleibt am Ende der einsame Schmerz und das macht richtig traurig. Trotz der Gefühlswallungen, die auf den Leser einprasseln lohnt sich das Buch und wird im Leser einiges losbrechen und Stermann zeigt sich erneut als Meister des fröhlich Melancholischen.
„Fernweh in der Häuslichkeit“
Der Roman handelt von Claude, der mit seinen exzentrischen Eltern in Wien lebt. Er ist dreizehn Jahre alt und geht Dank eines Stipendiums auf eine Schule der High Society. Seine Mutter ist Ethnologin und interessiert sich viel mehr für andere Menschen und Kulturen als für ihre eigene Familie. Claudes Vater ist Musiker und spielt im Orchester und in einer Barockband die Posaune. Die Eltern trennen sich Stück für Stück und als die Mutter mit einem Indio zusammenlebt, ziehen sie durch die gemeinsame Wohnung eine Mauer. Nun lebt Claude mit seinem Vater auf der einen und die Mutter, der Indio und Claudes kleiner Bruder auf der anderen Seite. Die Großmutter hält ebenfalls fest an ihrer Tochter und zeigt sich kaltherzig gegenüber Claude, der die Hoffnung für seine Familie nicht aufgibt. Doch auch der Vater lernt ebenfalls eine neue Frau kennen, die sich auf einem waldorfschulgeschwängerten Selbstfindungstrip zu befinden scheint. Claude ist auf beiden Seiten, der Mütterlichen und der Väterlichen, nicht willkommen. Die Mutter zieht aus, um die Welt zu erfahren. Der Vater, ständig auf Tournee, beschließt ebenfalls einen Neuanfang ohne Claude und zieht auch aus der gemeinsamen Wohnung aus. Da die Wohnung bezahlt ist, bleibt Claude dort wohnen. Allein.
Wäre da nicht der Nachbar, der MS-Leidende Taxifahrer Dirko, der aus Serbien geflohen ist, der sich Claudes annimmt. Von ihm lernt er die dunkle Geschichte Wiens kennen, aber auch sich zu verteidigen. Denn als armes Kind hat er es schwer auf der Schule der Reichen, die ihn beständig ärgern und sogar verprügeln. Als Claude durch eine erneute Prügelei die Schule wechseln soll, lernt er in der neuen Klasse ein gleichaltriges Mädchen kennen. Als die häusliche Situation für Claude immer unerträglicher wird, denn der Vater hat Zimmer der Wohnung untervermietet, beschließen Claude und Minako, das Mädchen, eine eigene Familie zu gründen. Beide minderjährig und naiv werden erneut mit dem Schmerz konfrontiert…
Das Buch ist tief traurig und lustig zugleich. Alle Figuren sind so gekonnt eingesetzt, dass alle sich im negativen oder positiven Sinne im Leser entfalten. Die Kapitel sind den Insektenbissen und deren Schmerzskala angepasst und diese steigert sich mit dem Leid der Hauptfigur und welcher Schmerz auf diese noch lauert, erfährt man am Ende, wo diese dann aber auch in sich ihre Freiheit findet. Ein Roman, wie ich ihn liebe. Eine gute Geschichte, die skurril ist und mit humorvoller Melancholie erzählt wird. Es gibt im Buch einiges zu entdecken und der Roman lebt von einer ganz besonderen Magie.
Pingback: Delphine de Vigan: „Loyalitäten“ | leseschatz