Die Novelle „Karl und Manci“ von Mala Laaser ist der Auftakt einer kleinen Buchreihe, die in Vergessen geratene Autoren und ihre Werke wieder der Öffentlichkeit zugänglich machen möchte. Mala Laaser ist sehr unbekannt, gehört aber zu den jungen Talenten aus der Zeit der Weimarer Republik. Ihr Werk ist wie bei vielen ihrer Generation vergessen, verschollen und durch den Nationalsozialismus unterbrochen und für immer beendet worden. Die Novelle „Karl und Manci“ beinhaltet die wichtigsten Merkmale der Literatur dieser Zeit, der Neuen Sachlichkeit. Diese Literatur ist schlicht, fast schon nüchtern und spiegelt die Gesellschaft. Die Figuren und ihr Handeln wirken auf den ersten Blick distanziert und doch ist alles, trotz der Kürze des Textes, fein detailliert und realistisch beobachtend. Es ist eine Gesellschaft, die den Ersten Weltkrieg verarbeitet und um ihre Existenz ringt. Das Leben in den Städten birgt die Quelle vieler sozialer Probleme und spätestens durch den Aufstieg des Nationalsozialismus wird auch die Kunst hoch politisch.
Bislang wurde die vorliegende Novelle ausschließlich in vier Teilen in einer Publikation der CV-Zeitung des Central Verbands deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens veröffentlicht. Der Text hat etwas kurzweiliges, wenn nicht sogar etwas sehr schlichtes, doch entfaltet sich beim Lesen und bei der Reflektion des Erzählten eine Tiefe. Es beginnt mit einer Aussage und endet mit einer Frage. Die Aussage stellt fest, dass wir es alle wissen, dass die Zeit gleich einem Spaten gewaltig den Boden umgegraben hat. Aus der Fülle an Geschicken und Geschichten soll uns das Schicksal zweier Liebender dargelegt werden. Doch die schlichte Romanze im Ton der damaligen Zeit zerfällt durch das Wechselspiel von Scham und Eitelkeit, um dann doch die Protagonisten in Vertrautheit zueinander finden zu lassen. Die letzte Frage des Textes verklingt süß und doch regelrecht bitter.
Die Liebe von Karl und Manci hatte es anfänglich schwer. Professor Brinkmann, Karls Vater, hat verbindliche Pläne für seinen Sohn und da ist die Liebe zu Manci nicht eingeplant. Seine Überzeugungsrede verschifft Manci nach Ägypten, wo sie durch den Professor als Laborantin eine Einstellung erhält. Als Karls Vater stirbt, nimmt dieser auch seine Pläne mit in sein Grab. Mit dem Einverständnis der Mutter löst Karl alle seine Versprechen und Gelöbnisse auf und bittet Manci heimzukommen. Als diese eintrifft, weicht die Wiedersehensfreude ein Stück weit der Erkenntnis, dass die unbekümmerten Zeiten von damals vorüber sind. Noch plagen Karl auch keine Zukunftsängste, er schmiedet Hochzeitspläne und es keimt neben der Liebe in ihm der Besitzerstolz ihr gegenüber. Er will sie in der Heimatstadt ankommen und sich in Ruhe nach einer Einstellung umsehen lassen. Bald soll sie aber, nach seinem Plan, mit ihm in einer eigenen Praxis tätig sein. Doch die Nöte werden immer größer. Er ist zu eitel, um nach einer aus seiner Sicht niederen Tätigkeit Ausschau zu halten. Manci ist es, die nun als selbstbewusste Frau auftritt. Durch einen Schwächeanfall gewinnt sie Freunde und eine Anstellung. Auch Karl bekommt immer mehr die Massenarbeitslosigkeit zu spüren. Die wirtschaftliche Lage der Zeit lässt ihn auf einen Mann treffen, der Kurse anbietet und seinen jüdischen Schülern, sofern er sie auserwählt hat, Arbeit vermittelt. Karl lernt, dass Geld nicht stinkt und es ihm egal zu sein hat, womit er sein Lebensunterhalt verdient. So finden beide in ihren neuen Funktionen ihr kleines Glück. Doch das private Glück muss noch gefunden werden, denn trotz des Vertrauens zueinander verschweigen sie sich gegenseitig ihre Entscheidungen aus Angst vor Missverständnissen.
Dieser Text, der seicht und kühl wirkt, birgt in sich eine kleine Fülle, der man durch erneutes Lesen oder dem Nachsinnen immer mehr Raum gibt. Die Novelle hat eine Leichtigkeit, in der aber ständig ein feiner, melancholischer Unterton zu hören ist, der uns immer genauer hinhören lässt. So entfaltet sich in der Darstellung der Liebesgeschichte und des ganz persönlichen Schicksals von Karl und Manci ein politisches und sozialkritisches Panorama der damaligen Zeit.
Die Ausgabe hat ein Nachwort von Birgit Böllinger (Sätze & Schätze)
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