Mirko Bonné war erneut mit seinem Werk Anwärter für den Buchpreis 2017. So stand er 2009 mit dem Buch „Wie wir verschwinden“ auf der Longlist und schaffte es 2013 sogar auf die Shortlist mit dem wunderbaren Roman „Nie mehr Nacht“. Die Nacht ist eine der Verbindungen dieser drei Werke, die irgendwie in einem Bezug zu stehen scheinen. Der Titel des aktuellen Buches entstammt einer Zeile von Andreas Gryphius und heißt im Ganzen: „Nacht, lichter als der Tag!“. Die Nacht als Sinnbild der Ängste und des Verborgenen. Das dunkle Gemüt und die Depressionen stehen Pate für die Metapher jener Nacht, die uns Bonné durch seine Protagonisten aufzeigt und durch die Kunst zu überwinden versucht. Das Buch hat den Sprung in die Shortlist für den Deutschen Buchpreis nicht geschafft. Bonné schreibt in einer Liga mit Thome und Moster, hat aber stets eine dunklere, lyrischere Ader, die nicht immer zugänglich ist. Es reiht sich Lebensweisheit neben Kunst und Metaphern, die im neuen Text leider ab und zu zu dezenten Phrasen verblassen. Es ist ein gutes und lesenswertes Buch, aber im Vergleich zu seinem Vorgänger war eventuell meine Erwartung zu hoch.
Die Handlung beginnt mit der Beschreibung eines bestimmten, stimmungsvollen Lichtes, das Raimund Merz zu innerer Reflexion anregt. Es wird eine lichte Erinnerung an seine Kindheitstage. Raimund Merz ist Journalist und arbeitet für eine Zeitung „Der Tag“. Er ist mit der erfolgreichen Kieferchirurgin Floriane verheiratet und die beiden haben zwei Töchter. Sie leben fast sorgenlos, vermögend und könnten eigentlich glücklich sein. Die Geschichte beginnt im Hamburger Hauptbahnhof, wo es manchmal jenen besonderen Lichteinfall gibt. Der Bahnhof gilt hier gleich der von Murakami angewendeten Metapher in „Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki“ als ein Ort des Umschlags, d.h. des Ankommens, des Abreisens und der Umorientierung. Zeitglich finden in Hamburg Flashmobs statt, einer davon im Bahnhof. Während dieses Vorfalls wird Merz mit seiner Vergangenheit konfrontiert, die sich dem Leser im Roman peu á peu offenbart. In der Menschenmenge macht er Inger aus. Es ist seine Jugendliebe, mit der er ein Geheimnis teilt. Eine emotionale Flut bricht über Merz ein und seine Seelenzustände werden immer deutlicher. Raimund kennt seine Frau seit der Kindheit. Sie waren eine Gemeinschaft von Freunden, bestehend aus Raimund, Floriane und Moritz. Viele Erinnerungen gehen zurück zu einem Garten am Dorfrand. Dieses Bild des Gartens spiegelt sich in dem Gemälde „Weizenfeld im Morvan“ von Jean Baptiste Corot, in dem auch jenes besondere Licht, dass Raimund so in seinen Bann zieht, festgehalten wurde. Zu dem Freundeskreis stößt Inger, die Tochter eines dänischen Künstlers. Ihre unbeschwerte Kindheit endet, als beide Jungs sich in Inger verlieben. Doch werden Moritz und Inger ein Paar. Die verschmähten, Raimund und Floriane, werden dann ebenfalls ein Paar und heiraten – irgendwie zum gegenseitigen Trost. Floriane, die Karrierefrau, ist es, die mehr an der Ehe hängt als Raimund, der jetzt durch das plötzliche Auftauchen von Inger sein Leben und seine Existenz endgültig reflektiert und in Frage stellt. Er sucht erneut den Kontakt zu Inger, stellt sich dabei aber sehr ungeschickt an. Es geht von da an darum, seine Depression zu verhindern, oder gänzlich zu überwinden. Es sind die Frauen, die mehr Stärke beweisen. Es bahnt sich eine Geschichte aus Lebenslügen an, die, wenn sie aufgedeckt sind, alles ins Wanken bringen werden.
Die Viererbeziehung als Bild vom Gefühl eines falsch gelebten Lebens und Freundschaft. Die alltägliche Trübsal wird durch wenige, lichte Momente unterbrochen. Die festgezurrten Verhältnisse wirken dunkel und sehnen sich nach mehr Licht und Veränderung. So hat Bonné mit dem Roman versucht, das Thema Goethes aus „Die Wahlverwandtschaften“ in die gegenwärtige Literatur einzubeziehen. Ein Liebesroman, in dem die Sehnsucht erwächst nach lichteren Momenten im Leben und dem Ausbruch aus dem ungeliebten Alltag. Das lustlose Eheleben des Helden lässt das Bild einer versagten Liebe in seiner Vorstellung lichtvoller erscheinen. Auch bei „Nie mehr Nacht“ war es die Kunst, die den Protagonisten half und die jeweilige Sehnsucht spiegelte. Denn was es mit dem eingehend erwähnten Bild tatsächlich auf sich hat, wird im Laufe der Geschichte immer klarer. Es beginnt eine Überschreitung von Kunst und dem Leben. In Folge werden die Liebe, Poetik und Malerei eine Verschmelzung von Sehnsüchten.
Das Buch fesselt und gerade am Anfang verspricht es ein euphorisches Abenteuer zu werden. Sprachlich und inhaltlich fühlt man sich gefordert. Doch nimmt das Gefühl leider Stück für Stück ab und man beginnt leicht mit den Figuren zu hadern. Doch gerade das ist es ja auch, was einen guten Roman ausmacht, man beginnt durch das Lesen Neues zu erfahren und sich selbst zu reflektieren. Neue Gedanken und besonders Emotionen greifen nach dem Leser – doch muss man, gleich den Charakteren auch bereit sein, diese zu ertragen. Wenn man sich aber darauf einlassen kann, schlummert hier ein Leseschatz.
Siehe auch: Marikis großer Buchpreis-Check für „Lichter als der Tag“ von Mirko Bonné #dbp17
Ich fand es so langweilig. Und es hält nicht, was es anfangs verspricht. Das Ende ist mau und unglaubwürdig …