Andreas Pflüger: „Niemals“

Andreas Pflüger Niemals Suhrkamp

Jenny Aaron ist zurück. Nach dem tollen Serien-Auftakt „Endgültig“ legt Andreas Pflüger nun den ersehnten zweiten Thriller um die Superheldin vor. Die Vorfreude auf und die Erwartungen an das Buch waren hoch. Andreas Pflüger weiß wie er Spannung aufbaut. Er kennt die Psyche und hört genau auf den menschlichen Körper und versteht es daher, seine Texte sehr lebendig werden zu lassen. Denn es geht um eine blinde Polizistin, die sich körperlich stets unter Kontrolle hat und meist ihre Blindheit gegenüber anderen sogar leugnen kann. Man kann „Niemals“ ohne Kenntnisse des Vorgängers lesen, denn durch Rückblicke werden alle wichtigen Geschehnisse eingebaut und sogar noch vertieft. So bekommt nicht nur Jenny Aaron mehr Tiefgang, sondern auch die Protagonisten um sie herum. Denn so viel kann man wohl getrost sagen, „Niemals“ ist eine Steigerung.

In einem Spiegel-Interview hat Andreas Pflüger mal gesagt, man müsse als Autor Kenntnisse von der Funktion des menschlichen Körpers haben, man sollte wissen, welche Bewegungsabläufe überhaupt möglich sind. So gelingt es ihm immer wieder eine Action aufzubauen, die nicht als Hauptkern der Handlung anzusehen ist, wie leider bei vielen Titeln dieses Genres, sondern als spannungsgebendes Beiwerk, aber auch als Teil der Charakterisierung der Heldin.  Jenny Aaron hat seit einem Barcelona-Einsatz ihr Augenlicht verloren. Aaron hat gelernt, die Resonanz der Dinge zu erspüren, zu erhören. Die Klangwellen, die die Dinge aus ihrem Umfeld zurückgeben, setzt sie als ein Bild zusammen. Sie gibt Klicklaute mit den Fingern oder tritt bewusst mit den Schuhen auf, damit sie durch den Widerhall die Räumlichkeit erfassen kann. Sie hat sich so weit trainiert, dass sie auch waghalsige Strecken joggt. Aber dabei immer die Schritte zählt und auf den Klang der Umgebung achtet. Nicht ahnend, dass sie hierbei auch mal beobachtet wird…

Jenny Aaron gehörte zu einer Sondereinheit, die immer dann agiert, wenn dem BKA offiziell die Hände gebunden sind und nicht weiter an dem jeweiligen Fall arbeiten kann. Durch ihre überragenden Fähigkeiten kann sie sich in der Männerwelt behaupten. Der Roman beginnt in Rom zehn Jahre vor der eigentlichen Handlung und somit fünf Jahre vor ihrem Barcelona-Einsatz. Sie soll einen Mann begleiten, der zu einem führenden Mitglied der Camorra bestellt wurde. Das Treffen verläuft nicht ganz wie erhofft und der Mafia-Boss kann entkommen. Als sie aber vorher eine wichtige Liste aus dessen Tresor sichten will, begegnet sie dem Sohn des Hausherrn und dieses Kind bleibt in ihren dunklen Stunden eine ihrer Halluzinationen.

In der Gegenwart versucht Aaron ihren Weg zu finden. Ihre alte Gruppe des Spezialkommandos will sie überzeugen zurückzukommen. Sie möchte gerne die Frau sein, die sie mal war, vor ihrer Erblindung. Sie hat begonnen wieder Schemen wahrzunehmen und die Halluzinationen zeigen, dass ihr Sehnerv verschont geblieben ist. Also gibt es eine Chance für sie, ihr altes Leben zu ergreifen? Ihre Vergangenheit holt sie ein und sie muss aufhören zu hadern und jeden Zweifel hinter sich lassen. Ihr Todfeind hat ihr zwei Milliarden Dollar vermacht. Jetzt stellt sich die Frage, warum er ihr das Vermögen hinterlassen hat? Um das ganze Rätsel zu lösen beginnt sie eine Reise, aber auch eine Reise in die Vergangenheit. In Marrakesch wartet einer der gefährlichsten Männer auf sie. Als Aaron immer mehr Licht ins Dunkle bringt, beginnt sie einen Rachefeldzug, bei dem sie bereit ist alles zu opfern.

Andreas Pflüger interessiert die Auswirkung von Gewalt und die daraus resultierende Angst. Seine Thriller leben davon und besonders die Action gibt das Tempo vor. Dabei ist das Besondere an diesen Romanen, dass die ausführende Person, die voller Adrenalin ist, eine blinde Heldin ist. Auch wenn es ab und zu unrealistisch erscheinen mag, mindert dies niemals den Lesespaß.

Andreas Pflüger schreibt knapp und actiongeladen. Seine Figuren entwirft er fast wie nebenbei und durch die sehr gekonnte Dramaturgie des Textes werden die Charaktere immer erlebbarer und tiefgründiger. Die Zeitsprünge sind immer gut und einfach hervorgehoben und es gibt keinen Moment, in dem der Leser sich verloren fühlt, sondern eher bemüht ist, jeden kleinen Wink zu erhaschen in der Hoffnung, alles mitzubekommen. Die Figur Jenny Aaron kommt einem beim Lesen immer näher, wird einem immer vertrauter und die Krimiwelt kann sich über diese sehr ungewöhnliche Ermittlerin freuen.

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4 Kommentare

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4 Antworten zu “Andreas Pflüger: „Niemals“

  1. Du bist mal wieder der Schnellere von uns beiden. Ich habe mich selten auf eine Krimi-Fortsetzung so sehr gefreut, wie es jetzt der Fall ist. Ich bin sehr gespannt auf den zweiten Band um Jenny Aaron. Viele Grüße in den Norden

  2. Philipp Elph

    Man kann…NIEMALS lesen, ohne ENDGÜLTIG zu kennen. Ich würde trotzdem empfehlen, zunächst das erste Buch der kleinen Reihe zu lesen.
    Das bringt den vollen Genuss!

  3. Pingback: Andreas Pflüger: Niemals | KrimiLese

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