Christopher Ecker ist für seine fantastische, kluge und stets einfallsreiche Literatur bekannt. Die bekanntesten Werke des in Kiel lebenden Autors sind die Romane: „Fahlmann“ und „Der Bahnhof von Plön“. Ende des letzten Jahres hat er ein neues, schmales Buch herausgebracht. Es trägt einen Namen mit nordischen Bezug: „Andere Häfen“. Ich betone, dass es ein schmales Buch ist, weil es sind 87 Texte auf 240 Seiten. Das bedeutet es sind ganz kurze Geschichten und nicht alle reichen sogar zu einer Kurzgeschichte. Es sind Textfragmente von geringem Umfang. Die meisten weisen das Merkmal der Kurzgeschichte auf. Die Kurzgeschichte ist vor allem als ein literarischer Kahlschlag zu deuten. Alles hat eine Tiefe und Metaphorik. Doch neben all der klugen Symbolik sind einige Texte auch mit Humor durchwoben. Eins eint die Texte: es sind Situationen, die hoffnungslos und beängstigend sind. Der Keim eines leichtfüßigen Lebens geht vielen Charakteren im Buch verloren. Die Welt kann durch solche Literatur auf den Kopf gestellt werden. Der Hafen als Ort der Sehnsucht, des Ankommens aus der Fremde oder der Abreise in das Unbekannte. Die anderen Häfen als Fundus des menschlichen Unbewussten. Auch sieht man am Ende des Textes in der Ferne das im Sonnenlicht bedeutungsvoll dräuende Wasser der Kieler Förde.
Die Sammlung beginnt „Zum Geleit“ begrüßend und zeigt sich gleich zwangsneurotisch. Bevor die Reise beginnt, soll alles aus sein, der Herd, das Licht, der Wasserhahn. Kaum aus der Tür, lohnt sich der Weg zurück, um erneut zu prüfen. Am Ende wird der Leser letztendlich gegrüßt und ein Lebewohl erklingt. Das letzte resignierte Hinabbeugen, des kraftlosen Charakters am Fließband der einerlei Tätigkeit. Dazwischen wird dem Leser schwindelig vor lauter kurzen Bildern, die sich in das Gedächtnis des Lesers einbrennen. Es reichen wenige Sätze, um ganze Räume, wenn nicht sogar Kosmen sich entfalten zu lassen. Christopher Ecker legt seine Charaktere und dessen Umfelder mit großartigen Szenen bloß. Er kann unglaublich gut schreiben und die Sprache wird sehr lebendig. Nicht alles ist schön, es hat auch Groteskes, Horrorartiges und Fantastisches, das sich in die bekannte Welt einschleicht.
Es ist unmöglich eine Zusammenfassung des Inhalts zu schreiben. Das Buch ist Lesespaß pur, großartige Lektüre und kluge Kunst. Wir begegnen unter anderem einem Mann, der bei der Abnahme seiner gemieteten Wohnung von einer Horde von Vermietern, die alles bemängeln, niedergewalzt wird. Katzen kommen leider um, haben sich aber zum Glück am Ende doch gewehrt. Es tauchen Gegenstände auf, die es nicht gibt, Räume öffnen sich oder der Eingang wird plötzlich verwehrt und Menschen verschwinden einfach.
Die Geschichten sind vielschichtig und die ganze Sammlung ist ein großer Fundus an Realität, Träumen und Alpträumen. Die kurzen Texthappen stehen für sich, sind aber durch einige Bilder verbunden. Es sind herrlich schöne und skurrile Momente, in die uns Christopher Ecker wirft. Langeweile kommt beim Lesen niemals auf. Das, was man nach dieser Lektüre mitnimmt, ist, dass man sich der Umgebung und der Identifikation nie ganz sicher sein kann. Auch die abgestellten Götter tauchen auf und sind dem irdischen Dienst verfallen. Die Sprache ist stets treffend und ganz genau. Es ist eine Kunst, in so kurzen Minigeschichten so viel Tiefe, Emotion und Verstand einfließen zu lassen. Nach jeder Ecke, d.h. nach jedem Umblättern, befindet man sich auf neuem unerwartetem Terrain. Ein großes Leseabenteuer.
Siehe auch die Besprechung auf schiefgelesen