Der neue Krimi von Anja Goerz wurde inspiriert von einem wahren Fall. Der Roman baut eine feine Spannung auf. Die Gespanntheit liegt in dem, was passiert ist und was die Charaktere gemacht haben, damit das geschilderte Drama geschehen konnte. Mit wenigen Skizzen umfasst Anja Goerz ein Setting und das ganze Personal. Im Mittelpunkt steht eine wohlhabende Familie, die im innersten aber zerworfen und gebrochen ist. Viele Beziehungen sind verfahren und zerstört. Die spannende Frage ist, ob es eine Situation gibt, die so ausweglos erscheint, dass man seinen Vater erschießt?
Der Prolog erzählt den Mord an einem angesehenen Rechtsanwalt in Bremen. Er wird mit vier Schüssen ermordet. Bevor er verstirbt, erkennt er den Mörder und seine letzte innere Frage bleibt das Warum.
In den folgenden Kapiteln kommen die Protagonisten im Umfeld des Ermordeten zu Wort. Laut der Polizei ist der siebzehnjährige Jakob, der Sohn des Erschossenen, dringend tatverdächtig. Dieser wurde von einer Zeugin vermeintlich gesehen und er hat Zugang zu der Kanzlei und allen Räumlichkeiten. Ferner tauchen auch noch Schmauchpuren auf, die ihn ebenfalls belasten. Doch Jakob zieht sich zurück und schweigt. Alle innerhalb des Umfelds der angesehenen Familie sind durch diesen Mord entsetzt. Ein ehemaliger Polizist, der mit der Großmutter befreundet ist, sucht diese auf und berichtet vom bisherigen Ermittlungstand. Es ist die Großmutter, Dora, die an die Unschuld von Jakob, ihrem Enkel, glaubt. Für sie bricht eine Welt zusammen. Ihr Mann ist verstorben und nun wurde ihr Sohn ermordet und der Enkel wird des Mordes verdächtigt. Ihre Tochter, Kirsten, die ebenfalls ihre Probleme hat und wieder zu ihr gezogen ist, betäubt sich mit Alkohol und ist unzuverlässig und emotional instabil. Ihr Schwiegersohn, der Mann ihres Sohnes, hasst sie und ihr Freundeskreis wendet sich von ihr ab. Was bleibt ihr noch? Nur die Kraft, Jakob zu helfen, denn sie bleibt standhaft von dessen Unschuld überzeugt. Wolfgang, ein Freund und ehemaliger Rechtsanwalt, unterstützt sie bei ihren Nachforschungen. Dabei tritt immer mehr die innere Zerrissenheit der Familie zutage und durch die Recherche wird die wahre Tragödie sichtbar und erschüttert sie.
Doras Mann, Hanjo, war damals das Familienoberhaupt. Er war ein strenger, altmodischer und sehr konservativer Mann. Als sein Sohn, Michael, seine Homosexualität entdeckt, wird dieser fast aus dem inneren Kreis der Familie ausgeschlossen. Dabei wird auch dieser später wiederum seinen eigenen Sohn, Jakob, mit strenger Hand erziehen. Michael toleriert unter anderem dessen vegetarische Weltsicht nicht. Mit einigen Wutausbrüchen und emotionalem Kräftemessen wird der Alltag zwischen Vater und Sohn bestritten. Auch David, der Mann des Ermordeten, hatte seine Geheimnisse, versuchte aber zwischen Michael und Jakob die Wogen zu glätten. Doch jetzt, nachdem Jakob unter Mordverdacht steht, wird auch die Angst deutlich, die David vor Jakob hat. Reichen aber die inneren Zerwürfnisse innerhalb der Familie aus, dass man zu einer Waffe greift?
Durch die wechselnden Perspektiven und in kursiv gestellten Rückblicke baut sich langsam ein gesamtes Bild auf, das aber immer wieder wechselhaft bleibt. Viele Verdachtsmomente werden gestreut und der Roman bleibt bis zum Ende überraschend spannend. Ein psychologisches Rätselspiel, das feine und mitreißende Lesestunden verspricht.
Danke an Anja Goerz und dtv! Denn dies ist bereits der sechste Roman, auf dessen Rückseite ich zitiert werde.
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