
Scappini kommt im dritten Band an. Aus der Fremde wird Heimat und er ahnt am Ende seinen kommenden Weg. „Ankunft in der Fremde“ ist sein dritter Lyrik-Roman in dem sein Alter Ego, Pascal, seine persönlichen Erinnerungen festhält. Es ist der Werdegang eines jungen Franzosen in Deutschland. Pascal ist Scappini, doch durch die Kunstfigur, gleich Martin Schlosser als Gerhard Henschels Alter-Ego-Figur, kann sich der Autor etwas von dem eigenen Charakter distanzieren und sich mehr Freiheiten erlauben.
Gérard Scappini wurde 1947 in Toulon geboren. 1966 kam er nach Deutschland, um seinen Militärdienst zu absolvieren und blieb danach in Freiburg. Er studierte Ethnologie, gründete eine Buchhandlung und reiste viele Jahre als Verlagsvertreter.
In „Ankunft in der Fremde“, mit dem Untertitel „Von Toulon nach Freiburg“, werden die Jahre 1966 bis 1967 betrachtet. Im Mittelpunkt steht Pascals Militärdienst im Französischen Heer in Freiburg. Somit ist es ein Zeitzeugnis mit einem ungewöhnlichen Blickwinkel auf die Deutsche Geschichte. Auch ist es ungewöhnlich, weil es erneut lyrische Prosa ist. Die Gedichte, es sind wie in den zwei vorherigen Werken genau 57, sind bodenständig und geben lediglich einen Rhythmus vor. Beim Lesen verliert sich immer mehr der Blickwinkel auf die Lyrik und der Inhalt erschließt sich romanhaft. Durch das Sprachbild und den eigenen Klang macht der Text etwas mit dem Lesenden und es wird etwas ganz Eigenartiges und Besonderes daraus.
Pascal weiß nicht, was er vom Leben erwartet. Auch möchte er nicht wissen, was das Leben von ihm zu erwarten hat. Er ist noch zu jung, um sich selbst zu erfassen. Er verlässt seine Heimat in Südfrankreich und tritt seinen Militärdienst in Freiburg an. Mit Deutschland verbindet er vorerst nur drei Namen: Goethe, Hitler und Beckenbauer. Während der Grundausbildung findet er Freunde, doch sein tatsächliches Umfeld kann er anfänglich nur durch die Kaserne erahnen. Seine Leidenschaft, des Rugbyspiel, behält er bei und organisiert Spiele in der wenigen Freizeit. Die große Freiheit erlebt er nach der Grundausbildung, als er als Chauffeur eingesetzt wird. Er erlernt mit einem Liliput-Wörterbuch langsam die Deutsche Sprache und knüpft zaghaft Kontakte und verliebt sich. Sein Blickwinkel fällt dabei auf das damalige junge Leben in Wohngemeinschaften, den Beatclubs und der unbändigen Sehnsucht nach Freiheit und Abenteuer. Sein Heimaturlaub ist etwas holprig und geschmückt mit unverständlichen Lügengeschichten und in ihm keimt die Ahnung, dass er seine Zukunft in Freiburg suchen wird. Er weiß zwar noch nicht, was er mit sich nach dem Militärdienst anfangen soll, bekommt aber unerwartete Entscheidungshilfe, zumindest was seine Heimatwahl betrifft.
Mit seinen 57 Gedichten schlägt Scappini Bögen um seine persönlichen Erinnerungen. In „Ankunft in der Fremde“ ist es das geringste Zeitfenster, aber mit der größten Entwicklung des Hauptcharakters. Es ist ein interkultureller und poetischer Text. Eine persönliche Lyrik, die sich dem Leser nicht verschließt und mit keinerlei Metaphorik und Sinnbildern den Inhalt verschleiert.
Durch die verknappte, aber schöne und rhythmische Sprache sind die Werke von Scappini eine kurzweilige, aber lohnenswerte Reise in die Lyrik. Ein ganz besonderer Entwicklungsroman vor historischer Kulisse.
Siehe auch:
- Gérard Scappini: „Ungeteerte Straßen. Eine Kindheit in Frankreich“ – Leseschatz-Beitrag
- Gérard Scappini: „Am anderen Ende der Stadt. Eine Jugend in Frankreich“- Leseschatz-TV-Beitrag
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