Tobias Sommer: „Das gekaufte Leben“

Ein Spannungsroman, der doch so ganz anders ist. Wer Tobias Sommer kennt weiß, dass in seinen Harmonien meist tiefe Abgründe lauern. Bereits mit seinen vorherigen Werken versteht der Autor mit einer Leichtigkeit Stimmungen zu kreieren, die er in Folge kontinuierlich aufbaut. Auch sein literarisches Können versteht er stets zu steigern. Das Provinzielle und vermeintlich freundliche Erscheinungsbild bekommt in seinen Texten immer etwas Skurriles und das Alltägliche verwandelt sich zuweilen in Grausliches.

Im Leseschatz hatte ich bereits mal prophezeit: Der Autor Tobias Sommer, der in Schleswig-Holstein lebt, hat bereits viele Preise erhalten und wird wohl in der deutschen Literaturszene kein Insidertipp mehr bleiben. Die ersten Schritte sind dahin gemacht und das vorliegende Buch ist erneut ein tolles Gedankenspiel und nebenbei kluge und spannende Unterhaltung.

„Das gekaufte Leben“ stellt die Frage, ob man einen Neuanfang, ein gänzlich neues Leben erwerben kann. Clemens Freitag ist an einem Punkt im Leben angekommen, wo er hadert und keinen Ausweg mehr sieht. Er ist beruflich und privat gescheitert. Da findet er eine ominöse Anzeige im Internet, dass jemand sein Leben verkaufen möchte. Clemens Freitag zögert nur kurz und gibt sein ganzes geerbtes Geld aus und schaut fortan erwartungsvoll auf seinen Neuanfang.

Der Verkäufer, Götz Dammwald, hinterlässt nicht nur sein Leben, sondern auch ein luxuriöses Haus nebst einem Gästehaus in einem kleinen Dorf Zaun in der ostdeutschen Provinz. Ein Dorf in der Abgeschiedenheit und auf dem Kartenmaterial kaum zu finden. Ist das Dorf, das etwas Abgrenzendes im Namen trägt, ein günstiger Ort für einen Neuanfang? Alles wirkt steril, sauber und freundlich. Das Haus wirkt unbelebt, als Clemens Freitag dort einzieht. Auch die Kleidung hat Dammwald dort belassen. Diese passt Clemens und somit schlüpft er in ein neues Leben. Doch ist es ja kein wirklich Neues, denn es wurde bereits vorbelebt. Auch den Job und die Freunde kann Clemens übernehmen. Freunde, die wie er gerne angeln und sich in der Dorfkneipe treffen. Sein Job ist in der Reklamationsabteilung eines Jagdversandhandels „Jagen24“ (Sommer-Leser vermuten in der Zahl nicht nur einen Bezug zur Stundenzahl sondern zählen innerlich weiter bis 135).

Zaun liegt an einem See, der tiefer ist, als er wirkt. So verwandelt sich auch das oberflächliche Gebilde des neuen Lebens. Eine anonyme Warnung ist auf den Gartenschuppen gesprüht worden. Ein Finger wurde aus dem See gefischt und nächtlich bekommt Clemens Besuch von einem Hund, der warnend oder bedrohlich bellt. Ist das perfekte, neue Leben eventuell gar nicht so gut, wie es anfänglich wirkte? Was birgt das Leben für Geheimnisse und welche Geister schlafen nicht? 

Ein Roman der dramaturgisch gekonnt die Spannung aufbaut. Das Düstere, das erst langsam aus der glatten Oberfläche emporsteigt, wird immer spürbarer und die Risse in der gekauften Idylle platzen immer mehr auf. Der Text ist metaphorisch und enorm stimmungsvoll. Die Gedankenbilder haben etwas leicht Verspieltes und wirken dadurch länger nach. Ein kluger, eleganter Roman. Die Handlung liest sich krimihaft, bedient sich aber nie wirklich solcher stereotypen Muster und vertieft viel mehr ohne große Anstrengung beim Leser diverse Fragen.

Es wird vom Autor noch mehr zu erwarten sein, denn der Leseschatz weiß, es entstehen noch weitere, großartige Werke, die bereits unveröffentlicht Leseschätze sind, denn ich durfte bereits etwas lesen… Aber auch dies schlummert unterhalb der sichtbaren Oberfläche …

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