Jocelyne Saucier: „Niemals ohne sie“

Jocelyne Saucier Niemals ohne Sie Insel

Jocelyne Saucier ist durch ihren Roman „Ein Leben mehr“, der auch bereits verfilmt wird, bekannt geworden. Jetzt wurde erstmalig ein weiteres Werk, ein älteres von ihr, ins Deutsche übersetzt. Ein Roman, der um die Situation kreist, was passieren kann, wenn die Stützen unter Tage, d.h. im Bergbau, und innerhalb einer Familie wegbrechen. Beide Romane, die es bisher in der Übersetzung zu lesen gibt, eint die  Menschlichkeit, die Metaphern der unbändigen Natur und der Drang der Protagonisten nach Freiheit. Es sind beseelte Romane über den Wunsch eines natürlichen und selbstbestimmten Lebens.

Erzählt wird die Geschichte einer großen Familie, der Cardinals, in einem kleinen, abgelegenen kanadischen Dorf. Es ist eine wilde und ungewöhnliche Großfamilie mit einundzwanzig Kindern. Es sind die Kinder, die uns ihre Geschichte erzählen. In wechselnden Perspektiven wird die Geschichte dieser Bergbau-Familie erzählt, die anfänglich nahe einer Mine lebt. Der Vater hat Zink entdeckt. Doch ereignete sich damals eine Katastrophe, die nun aus verschiedenen Blickwinkeln Stück für Stück Gestalt annimmt. Jeder Erzählstrang mündet in der Gegenwart der Erzählung auf einem Erzsucherkongress, auf dem die ganze Familie erstmalig wieder zusammenkommt. Aber sind es alle, die dort eintreffen?

Die Kinder erleben eine Jugend, die eng mit dem Alltag des Vaters in Verbindung steht. Die Geburtstage werden in einer Kiesgrube gefeiert und das Geburtstagskind darf eine Stange Dynamit anzünden. So ist es nicht verwunderlich, wenn einer der Jungen auch mal Dynamit mit zur Schule nimmt, um bei Liebeskummer eine Reaktion bei einer Schulkameradin herauszufordern. Die Mutter, die am Tage überfordert ist und nur am Abend ihr kurzweiliges Refugium findet, bekommt viel mehr von den Machenschaften der Kinder mit, als diese wahrhaben wollen. Der Vater ist ganz auf seine Suche nach Erz fixiert und als er Zink findet, wittert der ganze Familienclan Gewinne. Doch lässt der Vater sich mit Anteilen an einer Firma bezahlen und als der Zinkpreis immer weiter sinkt, wird die Miene stillgelegt und die Firmenanteile sind nichts mehr wert. Doch geben sich die Cardinals niemals geschlagen. Auch wenn das Dorf immer mehr zu einer Geisterstadt verkommt, sucht der Vater weiter sein Glück im Gestein und wird auch fündig. Im Stollen spürt er einen Goldquarzgang auf. Doch droht ihm abermals, das Glück aus den Händen zu zerrinnen. Es sind die Kinder, die einen Plan haben und es kommt zu jener Katastrophe.

Die Kinder sind das Herzstück dieses berührenden Romans. Kinder, die dem ärmlichen Alltag u.a. mit ihren phantastischen Namen zu entkommen versuchen. Die älteren Kinder übernehmen die Elternrollen und die Knirpse wachsen antiautoritär, wild und ohne Angst vor nichts und niemandem auf. Durch die damalige Katastrophe wird die Familie auf eine harte Probe gestellt und droht zu zerreißen. Die kleinsten Kinder haben damals, als das Schicksal zugeschlagen hatte, noch nicht gelebt und sind nun voller Wissbegier auf die damalige Zeit. Auf einem Kongress für Erzsucher kommt es zu einem überfälligen Familientreffen. Die meisten Kinder sind in der Welt zerstreut. Sie wollten den damaligen Schatten entkommen und eine Tochter lebt jetzt als Inuit. Nun sind sie alle angereist, um bei dem Kongress dabei zu sein. Dies ist das Ende des Schweigens und erstmalig werden die Erben der Mine wieder durchgezählt…

Ein Roman, der das Innerste der Erde und den Kern einer außergewöhnlichen Familie ausgräbt. Das Tiefe, Schwere liegt ganz nah bei der schlichten Schönheit und Leichtigkeit. Sobald man mit den Figuren in die Tiefe hinabgestiegen ist, betrachtet man staunend die immer deutlicher werdenden Umrisse der Umgebung und Handlung. Saucier hat einen bewegenden und tragisch-schönen Roman geschrieben, der besonders durch die witzigen, kraftvollen und erlebbaren Figuren glänzt.

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2 Kommentare

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2 Antworten zu “Jocelyne Saucier: „Niemals ohne sie“

  1. Das Ein Leben mehr verfilmt wird wusste ich nicht. Mal sehen, ob der Film so schön wird wie das Buch.Die von dir erwähnte leichtigkeit ist für mich das, was Sauciers Literatur auszeichnet.

  2. Pingback: Jocelyne Saucier „Niemals ohne sie“ – Zeichen & Zeiten

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