
Willi Achten hat ein sehr feines Gespür für seine Figuren und die menschliche Psyche. Nach „Die wir liebten“ und „Nichts bleibt“ erzählt der neue Roman von einer sensiblen Entwicklung. Eine Entwicklung, die die wichtigsten Konstanten im Leben ausloten möchte. Im Mittelpunkt steht das Einwirken des Menschen auf sein Umfeld und die Natur. In „Die wir liebten“ zeigte Willi Achten die menschlichen Abgründe im Hinblick auf die Geschichte. Mit „Nichts bleibt“ gerät ein Racheakt in den Fokus und das menschliche Einwirken auf die Natur ist der rote Faden. Diesen nimmt Willi Achten wieder auf und versteckt erneut das Drama in einer Idylle.
Neben den agierenden Figuren sind die Naturbeschreibungen raumeinnehmend und ergänzen die wunderbar angelegte Stimmung, die sich in einen enormen Spannungsbogen innerhalb der Handlung ausgießt. Der Klang der Natur wird fast schon musikalisch beschrieben. Der Gesang der Vögel wird dann aber abgelöst durch menschliches Singen und endet letztendlich wieder im Rauschen der Wälder. Aber gleich am Anfang erahnt man ein Drama, das sich in der Vergangenheit zugetragen haben muss und die Auswirkungen schwingen zwanzig Jahre später weiterhin in den Handlungsverläufen nach.
Jakob Kilv kehrt heim. Nach zwanzig Jahren kommt er zurück in das Dorf seiner Kindheit und Jugend. Ein Bergdorf, das in der Natur der umliegenden Alpen und Wälder eingebettet liegt und somit von der Landschaft geprägt und beeinflusst ist. Fast alle damaligen Bekannten und Freunde sind noch da. Auch seine frühere große Liebe, Liv, ist geblieben. Mit der Rückkehr hat er auch seine Erinnerungen mitgebracht. Erinnerungen an jenen letzten Sommer, den er dort verlebt hatte. Unter seiner Kleidung versteckt er seine Verbrennungsnarben.
Die Freunde, auch sein Vater, lebten mit und von der Natur. Der Vater hatte als Ornithologe die Aufgabe, die Flugbahnen der Vögel um die Flugplätze zu beobachten und umzulenken. In der Gemeinschaft lebt Herr Bolltner, der Gastgewerbe und Skilifte betreibt. Er ist auch noch im Dorf ansässig und der Touristenmogul der Gegend. Damals war er das Feindbild der Clique um Jakob. Bolltner wollte ein großes Projekt für den Skitourismus umsetzen, das aber der Natur enormen Schaden zufügen würde. Jakob und sein Freund Bruno planten und führten Proteste durch. Die Jungs blieben erfolglos und ein neuer Plan reifte. Doch lief damals alles aus dem Ruder und Jakob stellt sich nun die Frage bei seiner Rückkehr, was damals wirklich passiert war. Er sucht wieder die Nähe zu Liv und stellt sich der Begegnung mit Bruno, der eventuell auch für das Verschwinden von Jakobs Mutter verantwortlich ist. Was spielte sich zwischen seiner Mutter und Bruno damals ab und was wusste sein Vater?
Erneut begeistert Willi Achten durch seine klangvolle und schöne Sprache. Er haucht den Charakteren sehr viel Leben ein, so dass man deren Geschichten gebannt folgt. Die Coming-of-Age-Handlung ist glaubhaft und enorm dicht beschrieben. Die Welt der Erwachsenen, die sich in die Vergangenheit einwebt, schafft eine Distanz zum Werdegang des damaligen Dramas und nimmt die Handlungsstränge gekonnt wieder auf. Der ganze Text hat eine lyrische Note, die dennoch eine Leichtigkeit hat und viel Tiefe zulässt.
Ein großartiger Roman von Willi Achten, der eine Stimmung aufbaut, die einen in das Leben des Protagonisten hineinzieht. Die Spannung, die bis zum Ende aufrechterhalten bleibt, lässt einen die eigene Umgebung vergessen und man taucht ein in das geschilderte Leben im Tal mit wunderschönem Alpenpanorama.
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